„Stell Dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin, dann kommt der Krieg zu euch.“ – Auszug eines fälschlicherweise Bertold Brecht zugeschriebenen Gedichts.

http://www.zeit.de/2002/06/200206_stimmts_brecht.xml

tl;dr: Ich halte es für leicht beweisbar, dass die Störung der Sarrazin-Sause am 2.3. im Berliner Ensemble kalkuliert war, mindestens aber durch Unterlassung billigend in Kauf genommen wurde. Es steht der Vorwurf im Raum, bezahlte Provokateure waren am Werk. Auch wenn ich keinen Kontoauszug habe der das beweist, so halte ich es für durchaus möglich. Diese Recherche kann gerne genutzt und weiter verbreitet werden, um allen beteiligten lustige Fragen zu stellen. Achso und Claus Peymann muss sofort gehen.

Thilo Sarrazin hat ein Problem: Nicht nur, dass er Thilo Sarrazin ist – schlimmer noch: Niemand interessiert sich für ihn.

Anmerkung: Wieder schlecht formatiert. Ich habe die letzten fünf Stunden an dem Ding hier geschrieben. Stells jetzt online weils geil ist (geil im Sinne von: Es ist geil den Text jetzt online zu stellen). Wenn was ist: Mail oder Nachricht.

Denn während er 2010 für sein eines Buch noch Aufmerksamkeit erhielt, interessierten sich die Deutschen für sein zweites Buch über den Euro und sein drittes Buch über Tugendterror so gar nicht. Das muss sich natürlich doof anfühlen, wenn man merkt, dass man eher so ein One-Hit-Wonder ist. Wir kennen das z.B. von Rex Gildo, bei dem das ja dann sehr tragisch zu Ende ging: Früher Schlager-Superstar, dann uninteressant. Rex Gildo eröffnete dann Autohäuser und Möbelmärkte, zerbrach an sich selbst. Sprang nach einem Streit mit seinem Lebensgefährten aus dem Fenster.

Thilo Sarrazin muss vielleicht noch fünf Bücher oder so veröffentlichen, bis Autohäuser und Möbelmärkte für ihn in Betracht kommen. Ist halt die Frage, was er da machen könnte, weil singen wird er wohl nicht.

Jetzt kommt ihr natürlich an und sagt zurecht: Herr Lauer, woher wollen denn gerade Sie das wissen, haben Sie etwa alle angerufen und gefragt?

Nein, ich hab Frau Google Trends gefragt, die über so was immer sicher Auskunft gibt. Damit wir das Interesse an Thilo Sarrazin im Verhältnis zu anderen Dingen besser einschätzen können, habe ich noch gefragt wie sehr sich die Deutschen für Angela Merkel und Stuhlgang interessieren. Der gewählte Zeitraum ist Januar 2009 bis Februar 2014. Seht selbst:

http://www.google.de/trends/explore#q=%2Fm%2F0czds5q%2C%20%2Fm%2F0jl0g%2C%20Stuhlgang&date=1%2F2009%2062m&cmpt=q

Man sieht ganz gut: Die Deutschen fanden Thilo Sarrazin nur einmal interessanter als Stuhlgang und Angela Merkel. Im September 2010. Bei seinem ersten Buch. Danach war der Drops gelutscht. Thilo Sarrazin hat sich das wohl damit erklärt, dass man in Deutschland nicht frei seine Meinung sagen kann. Insbesondere dann, wenn man Die Wahrheit™ sagt. Das ist halt hart, keine Meinungsfreiheit, obwohl wir dezidiert konservative bis rechte Medien in Deutschland haben. 40% die eine eine konservative Partei in den Bundestag wählen. 8%-20%, von denen man ausgeht, dass sie ein gefestigtes rechtsextremes Weltbild haben. Deutschland, so links, so liberal und progressiv, und für den Deutschen Vordenker Thilo Sarrazin kein Platz, weil keine Meinungsfreiheit.

http://www.fes.de/rechtsextremismus/pdf/Vom_Rand_zur_Mitte.pdf

Die Realität sieht wohl eher so aus, dass selbst stramme Nazis Thilo Sarrazin so uninteressant finden, dass sie ihn noch nicht mal zum freien Meinungsaustausch einladen. Oder, ich hab das jetzt nicht recherchiert, stramme Nazis laden Thilo Sarrazin zum Meinungsaustausch ein, weil sie ihn vielleicht doch interessant finden, aber Thilo Sarrazin will nicht, weil er der Meinung ist, die anderen Deutschen müssten ihn doch mal endlich interessant finden, nicht die Nazis. Niemand möchte von Nazis interessant gefunden werden, wenn man aber Bücher über sogenannte „Kopftuchmädchen“ schreibt, dann setzt man sich ziemlich fahrlässig der Gefahr aus, von Nazis interessant gefunden zu werden. Ich halte Thilo Sarrazin ja durchaus für überdurchschnittlich intelligent, von daher könnte ihm das ja klar sein. Allerdings, so ist das häufig mit der überdurchschnittlichen Intelligenz, wenn einen die Welt dann nicht lieb hat und einem ständig sagt wie toll und intelligent man ist, dann verbittert man und schreibt halt Bücher darüber, warum die Welt so schlecht ist. Ich halte es durchaus führ möglich, dass sich Thilo Sarrazin sich so fühlt.

Wenn man also steile Thesen produziert und es trotzdem niemanden interessiert, dann muss man halt einen Eklat produzieren, also künstlich ein öffentliches Interesse produzieren.

Das könnte, rein hypothetisch, so ablaufen: Man schreibt ein Buch über Meinungsfreiheit und dass es die ja gar nicht mehr gibt und produziert dann eine Situation, in der genau das passiert. Ist halt doof, wenn nichts passiert.

So am 25.2.14 in Potsdam. Das war ein Dienstag, Thilo Sarrazin stellte sein Buch vor. Zum ersten mal überhaupt in der Öffentlichkeit. Jetzt muss man dazu sagen, dass sein Verlag oder er selbst schon kräftig die Werbetrommel für das Buch gerührt hat. Im Februar gab es viele Rezensionen und Berichte. Die lesen sich durchweg, wenn mir diese Interpretation erlaubt sei, ein wenig so, als würden die Rezensenten Thilo Sarrazin jetzt eher nicht so ernst nehmen. Also ihn nicht und sein Buch nicht.

Gipfel der Demütigung: Sandra Maischberger lädt Thilo Sarrazin aus einer geplanten Sendung vom 25.2. aus. Laut „Bild“ zehn Tage vorher.http://www.bild.de/unterhaltung/tv/sandra-maischberger/laedt-sarrazin-aus-34808280.bild.html

Zehn Tage vor der Sendung aufgrund von von Aktualität ausgeladen zu werden ist sportlich. Die Redaktion betonte gegenüber den Medien intensiv, dass das nichts mit dem Buch oder mit Thilo Sarrazin zu tun hatte. Man hätte alle Gäste ausgeladen. Das aktuellere Thema war übrigens: „Hartz IV für alle: Sind wir das Sozialamt Europas?“ Hui hui, erschließt sich einem natürlich sofort, warum das jetzt so aktuell ist, z.B. im Vergleich zu der ziemlich aktuellen Buchvorstellung. Vor allem bin ich sehr beeindruckt, dass die Redaktion von Maischberger angesichts der Eskalation in der Ukraine 10 Tage vor dem 25.2. wusste, dass ALGII das Thema sein wird, über das Deutschland am 25.2. sprechen wird.

Aua, das muss Sarrazin weh getan haben. Ich wurde auch schon aus Talkshows wieder ausgeladen, bzw. trotz Vorgespräch gar nicht eingeladen, aus verschiedensten Gründen. Ich gebe gerne und offen zu: Das fühlt sich scheiße an. Ich hab das jedes mal persönlich genommen; es packen einen eben genau die Selbstzweifel die Thilo Sarrazin wahrscheinlich auch hat. Man fragt sich: Warum bin ich denn so uninteressant. Dabei ist das natürlich total bescheuert. Die Redaktion einer Talkshow choreografiert so was durch. Es wird eingeplant wer was sagen soll, wer gut aussehen soll, wer schlecht aussehen soll und dann wird man da reingesetzt und die Choreografie läuft ab.

Frank Plasberg z.B. hat mich, als ich letztes Jahr mal bei „Hart aber Fair“ war, per Flüsterzuruf gezügelt, wenn er das Gefühl hatte, ich schlage über die Stränge. Das fand ich extrem hilfreich und extrem nett, aber die Zuschauer, selbst im Studio, bekommen das ja nicht mit. Ich find das auch nicht verwerflich oder so, aber Talkshows sind halt Zuspitzung und Inszenierung. Das sagt Frau Maischberger auch selbst, wenn sie im Zusammenhang einer anderen Sendung sagt bei Spiegel Online sagt: „Es kann sein, dass es Extreme sind, aber wir haben auch nur 75 Minuten Zeit. Ich kann mich gerne auch mit sehr gemäßigten Menschen zusammensetzen, aber dann werde ich am Ende auch nur sehr gemäßigte Positionen haben.“ http://www.spiegel.de/kultur/tv/sandra-maischberger-interview-ueber-talkgaeste-a-953017.html

Thilo Sarrazin war Frau Maischberger also sowohl nicht aktuell, als auch nicht extrem genug. Das müssen Schmerzen sein, ich wünsche niemandem öffentlich so gedemütigt zu werden; das ist schlimmer als Dschungelcamp. Laut „Bild“ gibt es auch ein sogenanntes „40-Minuten-Solo-Interview“ mit Sarrazin, das wieder abgesagt wurde, ich konnte aber nicht ermitteln, was das genau sein sollte, denn meines Wissens hat der RBB ein solches Format nicht. Es könnte sich um eine RBB-Doku über Sarrazin handeln, die jedoch bereits 2011 unter sehr mysteriösen Umständen aufs Abstellgleis geschickt wurde, aber ich konnte es wie gesagt nicht ermitteln. Wenn jemand was weiß, in die Kommentare oder ne Mail.

Das also ist die Ausgangslage am 25.2.: Wir haben einen Thilo Sarrazin, für den sich niemand interessiert, wir haben einen Thilo Sarrazin, der im Februar von den deutschen Medien so brutal gedemütigt wurde wie ich es wirklich keinem wünsche, und er stellt sein Buch vor. In Potsdam. Für Geld. Laut Webseite des Nicolaisaal Potsdam tritt das Brandenburgische Literaturbüro Potsdam als Veranstalter auf.

http://www.nikolaisaal.de/veranstaltung/buchpremiere-thilo-sarrazin.html

Laut Selbstdarstellung ist Träger des Brandenburgischen Literaturbüros Potsdam der Verein „Brandenburgische Literaturverein e.V.“. „Das Brandenburgische Literaturbüro wird durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg gefördert.“ Ob das jetzt materiell oder finanziell geschieht habe ich nicht recherchiert.

http://www.literaturlandschaft.de/selbst.htm

http://www.literaturlandschaft.de/veranst.asp?monat=2

Auf seiner Webseite bewirbt das Literaturbüro die Veranstaltung am 25.2. in Potsdam mit dem Moderator Dr. Alexander Kissler vom Cicero, was ein Widerspruch zur Webseite des Nikolaisaals steht, denn dort wird ein Ralf Schuler genannt. Das wiederum würde zum Medienpartner Märkische Allgemeine passen, denn ein Ralf Schuler leitet hier die Politik. Auf der Webseite der Märkischen Allgemeinen habe ich nichts zur Medienpartnerschaft gefunden, jedoch einen Artikel, der aufzählt, dass seit 2010 Sarrazin im Nikolaisaal seine Bücher vorstellt, dass immer weniger Leute kommen, dass aber immer vor dem Saal protestiert wurde.

Bereits am 5.2. hielt es die MAZ für berichtenswert, dass der Veranstalter Sicherheitsvorkehrungen für den 25.2. getroffen hat.

http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam/Sarrazin-stellt-in-Potsdam-neues-Buch-vor

Laut Potsdamer Neue Nachrichten wurde die Veranstaltung von Dr. Alexander Kissler moderiert. Dieser Bewarb die Veranstaltung am 25.2. indirekt, indem er am 25.2. bei Cicero Online rein zufällig einen Artikel veröffentlichte, indem er noch mal betonte wie toll das Buch ist. Stell ich mir lustig vor, wie der Moderator Kissler Sarrazin fragt, er hätte heute im Cicero von einem Herrn Kissler einen Artikel gelesen, der fände das Buch ganz gut. Die viel lustigere Frage, die man Herrn Kissler stellen könnte wäre, ob er für seine Moderatorentätigkeit ein Honorar bezog. Weil: Schreib ich schlecht über ein Buch, für dessen Präsentation ich bezahlt werde? Interessant wäre auch zu erfahren, wer das Geld bezahlt hat, denn bisher sehe ich nicht, dass Verlag oder Sarrazin da was in die Schale schmeißen, sondern vor allem das Land Brandenburg aus Steuergeldern.

http://www.cicero.de/berliner-republik/tugendwahn-deutschland-wo-sarrazin-recht-hat/57101

http://www.pnn.de/potsdam-kultur/832910/

Die MAZ berichtet bereits am 25.2. in einem Artikel von 18:51 Uhr, der 22:15 Uhr aktualisiert wurde von den Gegenprotesten. Es gab wohl eine angemeldete Demonstration, die Polizei war vor Ort, die Protestierenden kritisierten sowohl die Aussagen Sarrazins, als auch die Tatsache, dass der Nikolaisaal öffentlich bezuschusst wird. Lief wohl friedlich ab, habe zumindest nichts gefunden, dass es im Rahmen der Proteste zu Festnahmen oder Anzeigen kam. Die Polizei fand es wohl insgesamt uninteressant, denn ich habe keine Pressemitteilung der Polizei Potsdam zur Veranstaltung gefunden. Ansonsten fand ich am Artikel interessant, dass ein Herr vom Literaturbüro Brandenburg darauf hinweist, dass Sarrazin unter Polizeischutz steht. Ob Sarrazin tatsächlich Personenschützer hat oder damit der Polizeieinsatz vor dem Nikolaisaal gemeint ist wird nicht klar.

http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam/Potsdam-Proteste-in-Potsdam-gegen-Sarrazin

Ich fasse bis hierhin mal zusammen: Für Sarrazin interessiert sich niemand. Die Medien haben ihn einen Monat lang hart verarscht, anders kann man das nicht sagen. Er präsentiert sein Buch in Potsdam, es wird friedlich protestiert. So langweilig, dass noch nicht mal die Potsdamer Polizei ne Meldung rausgibt. So langweilig, dass niemand darüber berichtet, dass Sarrazin sein Buch vorgestellt hat. Noch nicht mal die Gegendemo fand nennenswert Erwähnung. Das einzige was fishy ist, ist die Achse Sarrazin/Cicero/Brandenburger Literaturbüro. Ich frage mich, wer hier für die Buchpräse wie viel von wem bekommen hat. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass hier Steuergelder verteilt werden.

Jetzt kommt der zweite Akt: Claus Peymann. Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, Herrn Peymann mal im Kulturausschuss erleben zu dürfen. Liebend gerne hätte ich dem Berliner Ensemble daraufhin alle Mittel im Berliner Haushalt gestrichen. Ich glaube, die anderen Fraktionen insgeheim auch, aber man hat halt keinen Bock auf Stress.

Herr Peymann und Herr Sarrazin haben etwas gemeinsam: Niemand interessiert sich für sie. Deswegen muss Herr Peymann auch immer so rumpöbeln. Da haben sich also zwei gefunden. Das Berliner Ensemble öffnet auf Einladung Peymanns also Sarrazin die Türen. Trommelwirbel: Bereits am 27.9.2013(!), also fünf (!!!) Monate vorher, kündigt der Cicero das auf seiner Webseite an. Ist sicher Zufall, dass das Cicero-Foyergespräch mit dem Titel des Buches fünf Monate vor Veröffentlichung des Buches eingetütet wurde. Eine Woche nach der geplanten Buchvorstellung am 25.2. in Potsdam.

http://www.cicero.de/zu-gast-daniel-cohn-bendit/42465

Am 27.2. wird auf der Webseite Avanti-Projekt.de ein Demoaufruf veröffentlicht. Unter anderem wird hier auch das Projekt “Tugendterror gegen #TerrorThilo” erwähnt. Der Aufruf liest sich für mich friedlich, wobei man undwohlgesonnen „Satz heiße Ohren“ als Gewaltaufruf interpretieren könnte, wenn man das möchte.

http://www.avanti-projekt.de/ereignis/20140302/terrorthilo-im-brecht-theater

Ich kann es noch nicht bestätigen, aber ich höre, dass sowohl auf die Veranstaltung im Berliner Ensemble, als auch auf die Gegendemos in der dpa-Tagesvorschau hingewiesen worden ist. Zum Verständnis: Die dpa-Tagesvorschau ist ein Dienst der Deutschen Presseagentur, in der sie auf interessante Dinge hinweist. Der Dienst ist kostenpflichtig.

Okay, wir haben also Thilo Sarrazin, der vom Cicero eingeladen worden ist im BE zum selben Thema wie sein Buch zu sprechen, was technisch dann keine Buchpräse ist; wie praktisch! Wir haben Erfahrungswerte aus vier Jahren „Thilo Sarrazin schreibt lustige Taschenbücher“ und die ist: Wo Sarrazin kommt, da kommen auch Gegendemonstranten. Wir haben eine wahrscheinlich angekündigte Gegendemonstration vor dem Berliner Ensemble. Am 25.2. hat einer vom Cicero sowas moderiert und ist anscheinend nicht in der Lage, seine anderen Kollegen vom Cicero darüber zu informieren? Sind die vom Cicero alle wirklich so doof, dass die nicht wissen, was passiert, wenn man Sarrazin irgendwohin einlädt? Informieren die sich nicht über Gegendemos und versuchen vorher mal mit den Veranstaltern zu sprechen, damit das friedlich abgeht? Ne, warum auch, war ja alles spontan und überraschend. Was könnte bloß schief gehen, wenn das Setup so ist wie dargestellt?

Am 2.3. stellt Thilo Sarrazin seine steilen Thesen zur Meinungsfreiheit im Berliner Ensemble vor. Es gibt die Gegendemo. Gegendemonstraten betreten das Berliner Ensemble und stören die Veranstaltung. Es gibt keinen Sicherheitsdienst, keinen Wachschutz. Die Polizei, die draußen steht, wird nicht reingebeten. Das mit der Polizei ist übrigens witzig: Ich weiß, dass Polizei da war, ich weiß nicht, ob sie da war, weil sie die Demo begleitet hat oder ob sie da war, weil sie jemand rief. Das kriegt man aber sicher morgen raus, warum Sie da war. Es gibt eine dpa-Meldung vom 2.3. 14:25 Uhr, die von „laut Polizei“ spricht, also wird sich irgendwer von der Berliner Polizei was gesagt haben. Lustiges Detail: Die dpa hielt das Cicero-Ding auch für eine Buchpräse. NEIN! Das war doch nur ein nettes Gespräch im Berliner Ensemble.

http://www.maz-online.de/Nachrichten/Politik/Demonstranten-verhindern-geplante-Sarrazin-Veranstaltung

Und dann knicken die aufrechten und tugendhaften Menschen vom Berliner Ensemble  vom Cicero und der Sarrazin ein. NEIN!!!! Damit konnte keiner rechnen. Weil es ja nie Gegendemos bei Sarrazin gibt. Das ist so auf Ansage; das ist so hart, dass sich da noch irgendeiner traut sich hinzustellen und zu behaupten, man wäre von „den Linken“ von der Meinungsfreiheit abgehalten worden. Sarrazin hat nur drauf gewartet gehen zu dürfen, damit er danach rumheulen darf, dass „die Linken“ ihn da voll von der Meinungsfreiheit abgehalten haben.

Wie zu erwarten kommt der Nachklapp: Alle berichten über diese Inszenierung, Sarrazin fühlt sich bestätigt, der Cicero kann schimpfen.

Peymann, der endlich mal wieder ein Interview geben darf, gibt es der Welt. Es ist haarsträubend. Er beschuldigt die Gegendemonstranten des „Nazihaften Gepöbels“, was nur der Pöbelpapst Peymann beurteilen kann, denn er war, trommelwirbel: gar nicht da. Außerdem sprech ich da aus Erfahrung, denn Peymann beleidigte die Piraten 2012 durchaus justiziabel. Wir haben das aber entspannt gesehen und so äußerte ich mich wohlwollend.http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/kritik-an-piraten-claus-peymann-sieht-partei-als-tueroeffner-fuer-nazis-a-828851.html

Er weiß aber, weil er ständig mit wem vom Berliner Ensemble telefoniert hat, dass es „Linke“ waren, dass das Berliner Ensemble die Polizei nicht rufen wollte (die vor der Tür stand), weil Polizei rufen ist ja doof. Denn Peymann möchte nicht, dass die Polizei mit dem Gummiknüppel über die Meinugshoheit entscheidet. Dann wirds noch geiler, weil Peymann wollte auch keinen Sicherheitsdienst. Begründung 1: zu teuer. Begründung 2: will er gar nicht, so nen Sicherheitsdienst, denn das Theater ist eine Insel der Freiheit. Und: Der Sicherheitsdienst hätte die Unruhestifter ja auch mit Gewalt vor die Tür tragen müssen.

Diese Argumentation ist so scharf. 1. Warum zur Hölle muss das Berliner Ensemble nen Sicherheitsdienst bezahlen, wenn der Cicero ein Gespräch mit Sarrazin veranstaltet? Warum? Zahlt der Cicero nicht dafür, dass er steuerfinanzierte Räumlichkeiten für sein Privatvergügen verwendet? Wenn nicht, dann wirds echt lustig. In vielerlei Hinsicht.

Argument 2 ist noch schärfer, weil es der Polizei unterstellt, Dinge nur mit Gewalt regeln zu können. Ja, die Polizei packt zu, als letztes Mittel; das nennt man Gewaltmonopol des Staates. Peymann beschimpft also Protestler im Berliner Ensemble als Nazis, weigert sich aber die Mittel anzuwenden, die legitim wären, um die Situation zu befrieden. Hätte ja sein können, dass die Polizei reingeht, den Leuten sagt „komm, genug Spaß gehabt“, die dann noch fünf Minuten weiter nerven und dann kapieren, dass es ernst für sie wird, wenn Sie nicht der Aufforderung der Polizei folgen. Der Sicherheitsdienst hätte dasselbe gemacht. NEIN HÄTTE ER NICHT. Der hätte an der Tür stehen können um Menschen zu sagen: Ist ja nett dass Du rein willst, aber wir fühlen uns irgendwie besser wenn Du hier draußen bleibst.

Aber es wird noch besser: Am Samstag, also einen Tag vorher, hat man alle möglichen Sicherheitsfragen erörtert. Wie gut das geklappt hat sieht man ja am Verlauf der Veranstaltung. Man hat zum Beispiel drüber diskutiert, ob man in Taschen reinschauen will. Er hat auch vorher mit der Polizei gesprochen, sagt er. Und Leute, die er kennt, „Theaterleute“, „frühere Assistenten von mir“, die haben auch mitdemonstriert.

http://www.welt.de/article.do?id=kultur/buehne-konzert/article125395822/Peymann-nennt-linken-Protest-nazihaftes-Gepoebel&cid=&pg=1

Geil ist, dass Peymann im Interview den Eindruck erweckt, die Polizei wäre nicht da gewesen. Hab eine Facebookgruppe gefunden auf der es auch Fotos von der Aktion gibt

https://www.facebook.com/events/245290382321975/

Haha, und jetzt breche ich angesichts dieses Flickr-Fotoalbums vor Lachen zusammen.

Man sieht eine Demo, man sieht Demonstranten, man sieht gekennzeichnete Polizisten, man sieht Absperrungen für einen Perimeter; alles tutti. Ich kann mir schwer vorstellen, dass die Berliner Polizei Demonstranten durch diesen Perimeter gelassen hat, es sei denn, das Berliner Ensemble hat das ausdrücklich erlaubt. Die Polizei nicht reinzubitten, obwohl sie auf einigen Fotos im Berliner Ensemble zu sehen ist, ist grob fahrlässig.

https://secure.flickr.com/photos/florianboillot/sets/72157641752294985/

Wie gesagt, wurde ich kontaktiert mit der Bitte um Quellenschutz. Die Quelle äußerte sich dahingehend, dass die Provokateure im Berliner Ensemble möglicherweise dafür vergütet wurden. Klingt für mich nicht unplausibel. Gegendemo draußen, Polizei hält Gegendemo unter Kontrolle, Berliner Ensemble-Leute lassen die Peymannschen „Theaterleute“ und „früheren Assistenten“ rein, weil persönlich bekannt, die provozieren fröhlich vor sich hin, Peymann will sie nicht rauswerfen, Sarrazin fühlt sich bestätigt, fertig ist der Lack.

Da Sarrazin leider von nichts mehr zurücktreten kann: Wir sehen uns 2020 bei einer Autohauseröffnung. Was Peymann angeht: Der Rubikon ist überschritten. Grob fahrlässig solche Situationen auf Ansage zu produzieren und dann alle als Nazis beschimpfen, mach das doch von der Fensterbank aus, aber nicht als Intendant des Berliner Ensembles.

So liebe Medien, den Rest macht ihr jetzt bitte.