Ein kurzes Beispiel dafür, warum das Framen des Narrativs wichtig ist.

Nach den Sondierungen ist vor den Koalitionsverhandlungen und so positionieren sich SPD und CDU/CSU. SPD Politiker äußern sich der „Welt am Sonntag“ gegenüber dahingehend, dass das Sondierungspapier natürlich noch nicht der Koalitionsvertrag ist und das man in den Koalitionsverhandlungen „noch deutlich mehr erreichen“ muss.

Jeder Mensch, der einmal selbst einen Vertrag abgeschlossen hat, weiß, dass zwischen Angebot und Vertragsabschluss meistens noch Änderungen durchgeführt werden. Und wenn es nur der berühmte Satz Fußmatten ist, den es beim Kauf eines Neuwagens noch kostenlos mit drauf gibt. Noch einfacher: Der Big Mac auf dem Foto sieht immer anders aus als der, den man dann tatsächlich serviert bekommt.

Es ist also nichts besonderes darauf hinzuweisen, dass ein Sondierungspapier nicht der Koalitionsvertrag ist. Interessant ist, was die „Welt am Sonntag“ dann aus dieser Selbstverständlichkeit macht. Auf ihrer Ausgabe vom 14.1.18 titelt sie: „Ralf Stegner will Ergebnisse der Sondierung nachbessern“. Online schreibt „Die Welt“ „Sondierungen – Führende Sozialdemokraten fordern Nachbesserungen“. Dadurch wird der Eindruck erweckt, die SPD würde das Sondierungspapier noch mal aufmachen wollen. Das Gegenteil ist der Fall, es wurde nur darauf hingewiesen, dass im Koalitionsvertrag mehr gehen muss, als im Sondierungspapier vereinbart wurde.

Die CDU nahm die Steilvorlage dankbar auf und so teilte deren Fraktionsvorsitzender Kauder in Bezug auf die Sondierungen „Die Welt“ online mit: „Was jetzt als Konsens auch der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, an dem gibt es nichts mehr zu rütteln“ Das Wort „Nachbesserungen“ mutierte zu „Nachverhandlungen“ gegen die sich Kauder laut „Die Welt“ aussprechen würde. Das alles wurde dann von anderen Medien aufgegriffen, worauf es dann hieß, dass die SPD das Sondierungspapier „Nachverhandeln“ wolle. Ich habe bei keinem SPD-Mitglied, das von „Die Welt“ befragt wurde, das Wort oder die Forderung nach „Nachbesserungen“ oder „Nachverhandlungen“ gefunden.

Fassen wir zusammen: SPDler sagen „Die Welt“, dass bei Koalitionsverhandlungen „deutlich mehr zu erreichen ist“, als im Sondierungspapier. Daraus wird zuerst, die SPD wolle Ergebnisse der Sondierung „nachbessern“ und aus dem Nachbessern wird im laufe der Berichterstattung „Nachverhandeln“. Die CDU nutzt dies, um auf die SPD drauf zu hauen. In teilen der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck, die SPD sei wankelmütig. Denn natürlich hat die CDU kein Interesse daran, dass sich die SPD in Koalitionsverhandlungen mit sozialen Themen durchsetzt, zum Beispiel mit ihrer Forderung nach einer Bürgerversicherung. Also wird ein Frame erzeugt, in dem jede Forderung nach einem Punkt, der nicht im Sondierungspapier behandelt wird, als Vertragsbruch oder Wankelmütigkeit abgestempelt wird.

Die SPD sollte sich aus der Debatte um Nachbesserungen, die niemand gefordert hat, ganz rausziehen und wie die Union es an anderer Stelle gerne tut, die Debatte für beendet erklären. Wie der Sprachforscher George Lakoff vollkommen richtig beschreibt, aktiviert man ein Frame immer dann, wenn man es erwähnt. Dabei geht Lakoff so weit zu sagen, dass das Menschliche Gehirn die Verneinung eines Frames nicht versteht. Von „Ich bin kein Betrüger“ bleibt also „Ich bin ein Betrüger“ übrig. Oder, noch eindrücklicher: Denken Sie jetzt bitte nicht an einen rosa Elefanten. Sie haben wahrscheinlich schon bei „Denken Sie jetzt bitte nicht“ an einen Elefanten gedacht.

Wer also darüber redet, dass die SPD keine Nachverhandlungen fordert, aktiviert das Frame, dass die SPD mal Nachverhandlungen gefordert hätte, was sie ja nie tat. Noch schlimmer: Die Verteidigung wird zum ewigen Abwehrkampf. Das wird auch aus Ralf Stegners Reaktion ersichtlich, in der er sich in Bezug aufs gesagte rechtfertigt. Wer sich im Frame der Gegenseite befindet, ist nicht in der Lage seinen eigenen Punkt zu machen, sein eigenes Argument zu bringen, sondern ist ständig damit beschäftigt, Gegenargumente gegen die Gegenseite zu bringen. So wie im bisherigen Teil dieses Textes, der sich daran abarbeitete, zu erklären, dass die SPD etwas nicht gemacht hat, dabei aber das Bild verfestigte, die SPD wolle irgendetwas nachverhandeln. Durch die Verneinung wird ständig das Frame der Gegenseite aktiviert und somit gestärkt.

Lakoff fasst es wunderbar mit diesem Satz zusammen: „If you retweet it you can’t defeat it, and when you embed it you spread it“, was so viel heißt wie: Wenn Du es retweetest verlierst Du, wenn Du den Inhalt einbettest verbreitest Du ihn.

Denn, auch darauf weist Lakoff hin, Debatten funktionieren eben nicht so, dass alle superlogisch und unemotional sind und zum Schluss das bessere Argument gewinnen lassen (Wie man sich das mal in der Antike oder während der Aufklärung vielleicht gedacht hat), sondern, Debatten funktionieren so, dass bestimmte Frames mit den eigenen Moralvorstellungen übereinstimmen. So kann also ein Konservativer ohne Probleme gegen die Entkriminalisierung von Drogen sein, obwohl durch diese Prohibition das organisierte Verbrechen mit dem Verkauf illegaler Drogen floriert. Wer den Konservativen von einer Entkriminalisierung von Drogen überzeugen möchte, müsste also hier – bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens – ansetzen und darauf hinweisen, dass die Kriminalisierung von Drogen zur Folge hat, dass eben dieses organisierte Verbrechen im Grunde genommen ein staatliches Monopol erhält, gesundheitsgefährdende Drogen zu verkaufen und dadurch Milliarden von Euro verdient, die dann zur Finanzierung anderer illegaler Geschäfte genutzt werden. Gleichzeitig müsste man darauf hinweisen, dass die Entkriminalisierung und Legalisierung von Drogen neue Wirtschaftsfelder eröffnet, die auch für einen Aufschwung und Wirtschaftswachstum sorgen.

Daraus wird ersichtlich, wie wichtig es für die SPD ist, im Meinungskampf eigene Frames zu erzeugen, an denen sich die Gegenseite abarbeiten muss, statt einen Abwehrkampf gegen ausgedachte Vorwürfe zu führen. Es ist immer besser zu sagen wofür man steht, statt erläutern zu müssen, wogegen man ist.

Ein Framing in Bezug auf die Koalitionsverhandlungen könnte sein:

Nach dem Abschluss der Sondierungen blickt die SPD den Koalitionsverhandlungen optimistisch entgegen, sofern sich der Bundesparteitag für Koalitionsverhandlungen aussprechen sollte. Sowohl CDU/CSU als auch SPD haben diese Bundestagswahl verloren, eigentlich war die Große Koalition abgewählt. Die SPD stellt sich ihrer staatspolitischen Verantwortung, weil andere lieber keine Verantwortung übernehmen wollten, als ein wenig Verantwortung zu übernehmen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zurecht, dass sowohl CDU/CSU als auch SPD über ihren Schatten springen, um Deutschland endlich im 21. Jahrhundert ankommen zu lassen. Es ist klar, dass die nächste Koalition deswegen deutlich mutiger vorgehen muss, als sie es in der Vergangenheit tat. Deswegen wird dieser Koalitionsvertrag eine klare sozialdemokratische Handschrift tragen müssen, sonst wird es keinen Koalitionsvertrag geben. Denn wie Willy Brandt bereits sagte: „Es hat keinen Sinn, eine Mehrheit für die Sozialdemokraten zu erringen, wenn der Preis dafür ist, kein Sozialdemokrat mehr zu sein.“

Die Union führt sich derzeit auf, als sei mit dem Sondierungspapier bereits sämtliche Arbeit erledigt. Im Gegenteil, die Arbeit fängt grade erst an. Es ist Angela Merkel, die wieder Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland werden möchte. Wenn sie und die Union aber nicht dazu in der Lage sind fair zu verhandeln, wird es Neuwahlen geben. Dann wird Frau Merkel den Bürgerinnen und Bürgern erklären müssen, warum sie Neuwahlen dem politischen Kompromiss vorzieht.

Der Text enthält kein Wort zu „Nachverhandlungen“, arbeitet sich also nicht daran ab erklären zu müssen, was passiert ist. Es werden klare Forderungen und Erwartungen formuliert, auf die die Gegenseite reagieren muss. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie Framing eingesetzt werden kann, um eine Debatte in die gewünschte Richtung zu lenken. CDU/CSU machen das übrigens ständig, weil sie sich mehr Gedanken darüber machen, wie sie ihre Botschaft ordentlich verkaufen. Wenn die SPD hier nicht nachbessert, wird sie immer im Hintertreffen bleiben.

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